Anhand alter Filme die Welt erklären: die wunderbaren Erzählungen des Hans Schmid

Dieser Autor ist ein gutes Beispiel für die hohe Kunst des Erzählens von Geschichte. Obwohl mich das Thema Filmhistorie eher nur am Rande interessiert hat, bin ich doch ein echter Fan seiner Texte.

Hans Schmid ist Filmwissenschaftler. Man erfährt nicht viel über ihn, er hat keine Website und keinen Wikipediaeintrag. Bei einer Websuche habe ich ihn unter hunderten Namensvettern nicht ausmachen können. Dass der Autor sich so zurücknimmt hinter seinem umfangreichen Werk, unterstreicht eher noch die Wirkung seiner Texte.

Seine Artikel (auf Telepolis) sind lang! Zum Glück erscheinen sie meist an Sonntagen und ich nehme mir die Zeit, sie ganz in Ruhe zu lesen – so wie ein Buch oder eine gute Zeitschrift, nicht wie irgendeinen Webartikel. Mailprogramm und Handy aus, Tee kochen … möge der Flow beginnen. Es lohnt sich.

Schmid erzählt Welt- und Kulturgeschichte anhand alter Filme. Er nimmt sich alle Zeit der Welt. Er verortet die Filme in ihrem zeitlichen und kulturellen Kontext, erzählt die Geschichten ihrer Macher und die Umstände ihrer Entstehung. Durch zahlreiche Exkurse und Abschweifungen entstehen vielschichtige Textgeflechte, ein Lese-Flow, in dem man sich nur zu gern verliert.

Kaum einen der von ihm besprochenen Filme habe ich je gesehen. Die Artikel sind aber so umfangreich mit Screenshots bebildert, dass einem nichts fehlt, um dem Artikel folgen zu können. Der Autor beleuchtet unzählige Facetten des Films und bringt sie durch seine Erzählkunst zum funkeln; gleichzeitig geht er so fundiert zu Werke, wie es nur einem Wissenschaftler gegeben ist. Diese Texte sind keine Rezensionen sondern ausführliche historische Abhandlungen.

Ich verstehe bis heute nicht recht, warum mich Hans Schmids Texte so faszinieren. Viele finden sie vermutlich zu lang, vielleicht sogar langweilig (es stehen meist nur wenige Leserkommentare darunter, diese allerdings voller Lob und Dank).

Hans Schmid ist eines meiner Vorbilder, wenn es darum geht, Geschichte zu erzählen. Auch wenn ich letztlich keine Ahnung habe, wie er es schafft, einen solchen Flow zu erzeugen, so versuche ich doch, mir das ein oder andere abzuschauen. Ob mir das hin und wieder gelingt, bleibt dem Urteil des Lesers überlassen ; )

Im März erscheint ein Buch über Frankenstein von ihm. Da freue ich mich schon drauf.


Links

Meine persönlichen Empfehlungen:

Giftmord auf britische Art   (2013)

Reise in das Herz der Finsternis   (2013)

“It’s alive!” und doch vergriffen: Frankenstein, Dracula und die Tücken des Urheberrechts   (2010)

Z von Costa-Gavras, wiedergesehen im Lichte der griechischen Schuldenkrise – Eine Reise durch die jüngere griechische Geschichte in drei Teilen   (2015)


Der aktuelle Artikel:

Zwischen Steuersenkung und Umverteilung, oder auch: Schieß nicht auf den Weihnachtsmann!

Ein Artikel zur festlichen Jahreszeit in zwei Teilen


Artikel-Übersicht komplett
https://www.heise.de/tp/autoren/?autor=Hans%20Schmid

 

6 Kommentare

  1. Ich freue mich sehr über dein Blog! Seit dem Schreibwettbewerb bei FF bin ich ein Fan deiner Texte.
    Deinen Empfehlungen zu Hans Schmid werde ich gleich Folge leisten und mich in das “Herz der Finsternis ” begeben. Draußen ist sowieso grausliches Wetter, ein idealer Lesetag heute.
    Viel Freude dir und deinen hoffentlich zahlreichen Lesern!

  2. Hallo Ursula, ich hab mich immer sehr über deine Kommentare gefreut.
    Herzlich willkommen an Bord!

    Falls dir Hans Schmid doch nicht so zusagen sollte, würde ich mich auch über eine Einschätzung von dir freuen.

  3. Ich habe grad nochmal die URL des Artikels geändert (da stand noch ein älterer Titel drin). Ich hoffe, das macht keine Probleme. Learning on the Job ….

  4. Hans Schmid schreibt wirklich wunderbare Geschichten.
    Sie haben nur einen Nachteil…
    Sie sind zu kurz.
    Ich kann nicht genug von ihnen bekommen.
    Ich habe ihn mal im Münchner Filmmuseum bei einer Veranstaltung kennengelernt.
    Er ist ein sehr freundlicher Mensch und ich bin sehr beeindruckt von ihm.

  5. Oh, noch ein Schmid-Fan. Hallo Joachim Seber. Ich finde die Artikel nun wirklich nicht zu kurz – zumindest für Internet-Verhältnisse. Online-Texte kommen einem aber immer länger vor als z. B. in einem Buch. Es liest sich auf Dauer auch nicht so entspannt. Ich würde mir seine gesammelten Texte mal in Buchform wünschen. Hast du zufällig das Frankenstein-Buch von ihm? Hab’s noch nicht gekauft (die Wunschliste ist lang …).

  6. warum nur gibt es keinen text mehr von diesem analytiker mit röntgenblick seit dezember 2020? ob die nächsten 560 seiten des zweiten bandes von “frankenstein” schuld sind, dessen erste 560 seiten diesen mai erscheinen sollen? gut, daß du ihn mal in persona gesehen hast, sonst könnte man glauben, seine texte kämen aus einem verlies tief in den katakomben eines verschütteten kinos, ohne kontakt zur außenwelt, aber mit genügend filmvorrat und niemandem, der beim schreiben stört … man gebe mir über lebenszeichen von ihm bescheid, bitte!

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